Wie würdest du «Trio (For The Beauty Of It)» beschreiben? Was unterscheidet die Performance von anderen Projekten eurer Gruppe?
Über die Jahre ist uns klar geworden, dass bestimmte Personen, egal unter welchem Label wir auftreten, immer übersetzen und andere übersetzt werden. Auch wenn wir mit allen in verschiedenen Ländern auftreten und sich die Rollen mal verkehren, gelingt es einfach nicht, diese Rollenverteilung auszubalancieren. Das heißt, einige bilden jedesmal das Sprachzentrum der Gruppe. Sie sind es dann auch, die nach der Aufführung mit dem Veranstalter*innen oder den Gästen sprechen, während sich die anderen jedes Mal jemanden suchen müssen, damit die Kommunikation durch Übersetzung fließen kann. Um das anders zu gestalten habe ich daher irgendwann gesagt, dass es gut wäre, wenn sowohl die, die einsprachig sind, als auch die, die als zweite Sprache eine afrikanische Sprache sprechen – die hilft ihnen in den europäischen Ländern, in denen wir überwiegend auftreten, ja nicht weiter – noch eine zweite Sprache sprächen. Und dass es noch besser wäre, da wir eine sehr tanzaffine Gruppe sind, wenn sie die neue Sprache mit einem Bewegungssystem kombinieren könnten, wenn wir praktisch gemeinsam eine Bewegungssprache erfinden könnten. Wir haben also damit angefangen, unseren Worten jeweils Bewegungen zuzuordnen. Wir haben begonnen, Übungen zu machen, bei denen jemand etwas tanzt und der/die andere das dann in sein Bewegungssystem und gleichzeitig entweder in die eigene Sprache oder in die Sprache übersetzt, die er gerne lernen möchte. Oder auch Übungen, bei denen jemand etwas sagt und der/die andere es dann tanzt usw. Es gibt sehr viele Möglichkeiten, die Bewegungen und Sprachen, die da sind, zu kombinieren. Man kann das System auf sehr unterschiedlichem Niveau tanzen. Wir integrieren ja schon lange Sprachen in unsere Performances, aber bisher haben wir das nicht getan, um eine neue Sprache zu erlernen, sondern als Kontrast, manchmal auch begleitend, und manchmal auch nur, weil aufmerksamer hingeguckt wird, wenn jemand spricht. Und jetzt versuchen wir das erste Mal, Sprache, Bewegung und Erinnerung zu verkoppeln, um den Spracherwerb für diejenigen zu erleichtern, die eine weitere Sprache lernen wollen. Neue Sprachsysteme prägen sich leichter ein, wenn sie an Bewegungssysteme gekoppelt sind.
Führt das nicht langfristig zu Ausschlüssen? Wie reagiert ihr zum Beispiel auf Performer*innen, die von Außen dazukommen und die Grundlagen eures Systems daher nicht kennen oder auch eine völlig neue Sprache mitbringen? Können neue Performer*innen oder Gäste bei euch mittanzen, ohne dass eine babylonische Sprachverwirrung ausbricht?
Nein, genau dafür sind die Systeme ja da, dass man sich ohne Vorwissen verbinden kann. Allerdings hängt die Gewichtung, welche Sprachen vorwiegend gesprochen werden, häufig von den Mehrheitsverhältnissen im Raum ab. Da kann es schon mal sein, dass nicht ausgewogen übersetzt wird. Zusammenarbeiten können schnell entstehen, einmal probten wir gerade in Aubervilliers, und DJ Meko, einer der Performer, brachte unangekündigt zwei neue Tänzer mit. Den einen, Ordinateur, kannte ich schon von der Elfenbeinkünste, weil er ein sehr bekannter Tänzer ist, den anderen, Alaingo, habe ich erst in dem Moment kennengelernt. Weil er auch ein sehr guter Tänzer ist, haben wir sofort mit ihm zusammengearbeitet. Da gab es keinen formalen Vorgang. Meko hat die beiden einfach mitgebracht, und es war einfach klar, dass sie sich beteiligen wollten. Es hat sofort Spaß gemacht.
Und so soll es für euch und mit dem System weitergehen?
Ja, wir müssen einfach Projekte und Stücke machen, damit die Leute sich immer wieder treffen können. Es gibt freie Gruppen, die seit 15-20 Jahren existieren und bewiesen haben, dass sie wirklich zusammenbleiben und langfristig an etwas arbeiten. Leider ist es so, dass wir wenig direkten Zugang zu Ressourcen haben, die uns das ermöglichen. Ich finde, das Maß an Verantwortung, das wir füreinander und für unsere Arbeit tragen, auch dafür, wie es den Gruppenmitgliedern geht und wie wir zusammenkommen können – das Maß an Verantwortung, das wir tragen, ist im Verhältnis zu dem, was wir entscheiden können, oder wie viel direkten Zugang wir zu Ressourcen haben nicht ausgeglichen. Wir haben zum Beispiel keinen direkten Zugang zu Probenräumen. Wir können nicht selbst bestimmen, wann wir spielen, außer es sind freie Förderungen, aber auch die sind häufig an Spielstättenbescheinigungen gekoppelt. Dass die Stadttheater ein Intendant*innensystem haben, das weiß jede*r, aber die freien Produktionsstätten haben das auch. Auch in der freien Szene entscheidet heute die Intendanz und die Dramaturgie, was wann gezeigt wird, wie lange eine Gruppe sich am Haus aufhalten kann usw. Ich würde mir wünschen, dass die Autonomie der freien Gruppen gestärkt wird! Wir leisten fast alles, aber haben keinen direkten Zugang zu Bühnen, Probenräumen oder in eine Gästewohnungen. Wenn wir zumindest teilweise über diese Ressourcen verfügen würden, könnten wir sinnvoller und günstiger arbeiten , es müssten nicht ständig Hotels bezahlt werden, die Gruppenmitglieder aus den verschiedenen Kontinenten müssten sich weniger oft trennen, sie hätten eine viel stärkere Verbindung zueinander und zu den Orten, an denen sie arbeiten.
Weitere Aufführungen von »Trio (For the Beauty Of It)«:
04. November 2022 Dampfzentrale Bern
8. + 9. November 2022 Théâtre 140 Brüssel
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