Das Grab

Das Grab ist der dritte Teil der Trilogie Red in Blue, in der sich die Romanautorin Miano erstmals an der großen Theaterform versucht. In einem fiktiven Land südlich der Sahara folgen wir der Reise von Jedidiah, einer offensichtlich in den USA aufgewachsenen Schwarzen, die ihren verstorbenen Bruder nach dessen Willen in der Erde der mythischen «Heimat» bestatten will. Bewaffnet mit einem DNA-Test, der die Abstammung ihrer Familie nachweist, begibt sie sich in ein kleines Dorf im Hinterland und versucht die Gemeinschaft davon zu überzeugen, den Bruder als einen der Ihrigen anzunehmen. In dieser Variation über den Antigone-Mythos, die gleichzeitig eine Reflexion über die unterschiedlichen schwarzen Bewegungen in den USA und auf dem afrikanischen Kontinent darstellt, sucht die Autorin nach einem Weg, um zeitgenössische Identitätsproblematik und jahrhundertealtes postkoloniales Erbe gemeinsam zu verhandeln. Was zunächst als Stationendrama beginnt, kulminiert in einem dialogischen Ideendrama. Wie in einer Art Agora machen alle Figuren ihren Standpunkt klar – von der Seherin über die Dorfältesten bis hin zum Geist des Bruders selbst. Als dem Verstorbenen zuletzt ein Denkmal am Meeresufer errichtet wird, scheinen dadurch Vergangenheit und Gegenwart, materielle Welt und Geisterwelt versöhnt – und der Weg in eine neue Zukunft offen.

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