Als ich dich 2009 kennengelernt habe, gehörtest du zu einer Generation von jungen, äußerst kreativen und erfolgreichen Québecer Dramatiker*innen. In den letzten Jahren warst du zunehmend damit beschäftigt, dein Wissen als Autor weiterzugeben und Szenisches Schreiben zu lehren. Welche Erfahrungen hast du mit dem «Nachwuchs», der nächsten Generation, gemacht – und wirken sie sich auf dein persönliches Schreiben aus?
An dem Klischee ist was dran: Unterrichten bedeutet, weiterhin zu lernen. Zunächst einmal zwingt es einen dazu, das zu benennen, was in unserer persönlichen Praxis Instinkt und Intuition ist. Man muss in der Lage sein, das, was man in der Einsamkeit des Schreibens nicht zu verbalisieren braucht, für die Schüler*innen hörbar und verständlich zu machen. Das allein ist schon enorm. Wenn man dann regelmäßig Texte von Nachwuchsautor*innen liest, lernt man schnell zu erkennen, was weniger gut funktioniert. Oberflächliche Charaktere, banale Dialoge, vorhersehbare Geschichten, mangelnde Prägnanz – all das sind Warnhinweise, von denen auch unser eigenes Schreiben profitiert.
Abgesehen davon ist das Schönste am Unterrichten, dass man einen Einblick in die dramaturgischen Welten einer neuen Generation bekommt. Das bringt mich zu deiner Bemerkung über die Autorengeneration zurück, der ich angehöre. In der Tat hatte ich das Glück, zu einem Zeitpunkt zu kommen, als plötzlich wir plötzlich mehrere Autorinnen und Autoren waren, die nicht nur in Québec, sondern auch im Ausland sehr schnell viel gespielt wurden. Einen solchen kollektiven Elan habe ich seitdem nicht mehr erlebt. Ich weiß nicht, ob das an unserer spezifischen Generation und/oder am Kontext lag.
Natürlich leben wir jetzt in der Zeit nach COVID. Das spielt eine Rolle. Abgesehen davon gab es schon lange vor COVID einen Mangel an finanziellen Investitionen in die Kultur. Das wirkt sich auf die zu vergebenden Fördergelder aus, was wiederum Auswirkungen auf die Realität der Künstler*innen hat. Die konservative Harper-Regierung, die von 2006 bis 2015 im Amt war, hat einen ganz besonders schlimmen Kahlschlag im Kulturbereich angerichtet. Es ist leicht zu glauben, dass das eine ganze Generation aufstrebender Künstler*innen beeinflusst hat.
Manchmal frage ich mich auch, ob es ein Zufall ist, dass meine Generation die letzte ist, die eine « analoge Pubertät » erlebt hat. Vielleicht hatte unsere junge Phantasie, die noch nicht mit den unendlichen Inhalten und Bildern des Internets bombardiert wurde, die Chance, sich freier und sensibler zu entfalten? Aber ich zögere, das zu sagen, denn der Zugang zum Internet kann die Phantasie sowohl nähren als auch formatieren.
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