Was fandest du an diesem kollektiven Übersetzungsprozess interessant? Ist das eine gute Methode, um Theater zu übersetzen?
Es hat einen Riesenspaß gemacht! Die erste Übersetzung war eine Übersetzung, die im Plenum gemacht wurde. Ein Text wurde projiziert, wir sind Satz für Satz vorgegangen und haben fast über jedes Wort nochmal diskutiert. Frank saß am Laptop und hat alle Vorschläge aufgeschrieben. Unser Fokus lag auf dem Gewicht der einzelnen Wörter und dem Rhythmus der Sätze.
Es war auch sehr spannend, weil wir alle zuvor unterschiedliche Erfahrungen mit Übersetzung und Theater gemacht haben. Manche Teilnehmenden studierten oder unterrichteten sogar Translation. Ich und eine Theaterwissenschafts-Kommilitonin haben z.B. eher auf Sprechrhythmik geachtet. Mit so vielen diversen Stimmen kam man richtig ins Diskutieren und ins Umwerfen. Ich habe das Gefühl, dass wir fast jedes Wort umgedreht haben, um eine passende Übersetzung zu finden.
Oft war es wichtig, auch den Denkprozess und den Übersetzungsprozess zu erklären, jedes Mal, wenn man eine Übersetzung vorgeschlagen hat. Die Übersetzungen hätten sich in ganz unterschiedlichen Richtungen bewegen können. Man musste sich auf die Wörter einigen und deshalb immer seine Vorschläge begründen. Und wenn man endlich eine Textstelle zu Ende übersetzt hat, ist man zuerst beeindruckt: Man hat den Text zu fünfzehnt zusammen geschrieben, indem man sozusagen alle Möglichkeiten erforscht hat.
Mit so vielen Leuten gemeinsam einen Text zu übersetzen, ändert also den Inhalt des Textes?
Das Inhaltliche haben wir zweimal im Plenum übersetzt und dann wurden wir in Tandems und Dreiergruppen aufgeteilt. Die Aufgabestellung von Frank und Leyla hieß auf einmal, sich vom Inhaltlichen, von der Bedeutung des Textes, zu lösen. Das war zuerst beängstigend, denn meiner Meinung nach sollte die Kernessenz des Textes in seiner Übersetzung beibehalten werden.
Aber es war auch ermutigend, zu hören: «Nehmt den Text, aber macht ihn euch so zu eigen, dass es für euch in der Sprache, in der ihr ihn übersetzt habt, passt.» Auf einmal verstand ich, dass wir künstlerische Freiheiten mit diesem Text hatten, und zwar durch die Übersetzung. Es ging langsam nicht mehr wirklich nur um das Übersetzen, sondern auch um das Formulieren, das kollektive Schreiben.
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