Africologne hat in diesem Jahr drei Produktionen eingeladen, die aus der Zusammenarbeit zwischen europäischen und afrikanischen Künstler*innen entstanden sind: Swap Families, The ghosts are returning und Dialaw-Project.
Diese drei Produktionen haben mehrere Gemeinsamkeiten: die Verwendung von dokumentarischen Bildern und Aussagen, kollektive Arbeitsprozesse und Erzählungen, die mit postkolonialen Kontexten verbunden sind. In diesem Text interessiere ich mich dafür, inwieweit jede einzelne Produktion die Auswirkungen dieser Beziehungen auf ihren Arbeitsprozess und die fertige Aufführung bedacht hat – oder eben nicht. Ich gebe hier einen kurzen Überblick.
SWAP FAMILIES von FUTUR3 (Köln, Deutschland) & EX-PARA-MENTAL (Kumasi, Ghana).
Das im Raum verstreute Publikum betrachtet eine Ausstellung von Alltagsgegenständen. Ein daneben angebrachtes Kärtchen gibt uns Aufschluss über ihre Herkunft und, kurz zusammengefasst, über ihre sentimentale Bedeutung. Bald werden uns diese Geschichten erzählt, ohne dass irgendwelche Marker darauf hinweisen würden, ob sie aus Deutschland oder Ghana stammen. Die gesamte Produktion verläuft mit mehreren rührenden Momenten nach diesem Prinzip und führt dann die Geschichte der Ansiedlung deutscher Siedler in der Volta Region ein. Wir hören, dass die Eltern der einheimischen Bevölkerungsgruppen in dieser Region äußerst stolz darauf waren, dass die Deutschen ihnen bestimmte handwerkliche Fertigkeiten vermittelt hatten. Eine rassistische Mythologie der technischen Errungenschaften der Kolonialisierung, die jedoch im weiteren Verlauf der Performance metaphorisch besiegt wird, indem der mit Gold überzogene Künstler und Akademiker Bernard Akoi-Jackson Elemente seiner eigenen Performances wiederverwendet, darunter die Säge aus Untitled: How to Usher the [an] African fully into [His]tory… (2016), um eine Tafel Schokolade zu zerschneiden, die er dann im Publikum verteilt. Diese Geste ist eine Anspielung auf die Teilung Afrikas während der Berliner Konferenz und die Verteilung seiner Ressourcen an die kolonisierenden Nationen. Damit kehrt der Künstler die Vorstellung um, diese Anekdote könnte die grundlegende Ungerechtigkeit der Kolonialisierung auslöschen.
Die hervorstechendste Frage in dieser Produktion ist für mich die des Ausgangspunkts. Warum reproduziert man etwas, und sei es auch nur in Ansätzen, um es dann wieder zu dekonstruieren? Der Titel und der ursprüngliche Rahmen der Performance scheinen verhindert zu haben, dass durch die künstlerische Zusammenarbeit überkommene Vorstellungen tatsächlich erneuert wurden. Warum beruft man sich auf horizontalen «Kulturaustausch», wenn doch die Bedingungen ungleich sind, und auf die Vorstellungswelten der (neo)kolonialen Beziehung, die man kritisieren möchte? Die ausufernde und zersplitterte Dramaturgie der Arbeit, sehr postdramatisch in ihren Codes im Dienste einer Kritik an der Möglichkeit eines «Swaps» an sich, hätte vielleicht zu interessanteren Entdeckungen geführt.
DIALAW-PROJECT von Mikaël Serre / Germaine Acogny.
Thema: Die École des Sables und das Dorf Toubab Dialaw im Senegal werden von einem Hafenprojekt bedroht. Befürworter*innen und Gegner*innen des Projekts geraten inmitten der Irrungen und Wirrungen von Besucher*innen und den Berichten der Bewohner*innen aneinander.
Als ich eine*n der Schauspieler*innen und Mitautor*innen des Textes von Dialaw-Project sagen höre, dass sich der Regisseur Mikaël Serre mehr für Problematiken als für Worte interessiert, verstehe ich, warum der Text das größte Manko der Aufführung ist [1]. Der kollektive Arbeitsprozess hat den Schauspieler*innen als Autor*innen ihrer Figuren viel Platz eingeräumt. Leider gelingt es durch diesen Prozess nicht, die ungeheure Dimension seiner Geschichte wirklich zu erfassen, auch wenn die szenische Umsetzung im Bühnenraum ansonsten äußerst gut funktioniert. So besteht beispielsweise eine bewusste ästhetische Kluft zwischen der poetischen Prosa von Germaine Acogny und den übrigen Figuren, die sich nur schwer überbrücken lässt.
Die Lösung dafür wäre nicht die Rückkehr zu einem stärkeren Zugriff durch den Regisseur oder eines*einer einzelnen Autor*in gewesen, sondern vielleicht ein differenzierterer, ja sogar realerer Ausdruck dessen, was die einzelnen Figuren mit Toubab Dialaw verbindet. Sie sagen lediglich in äußerst wenigen Worten, was sie mit diesem Ort verbindet, ihre Dialoge klingen ein wenig abgehoben, auf der Suche nach einer Aussage. Und dies, obwohl die Geschichte des Hafenprojekts, das die École des Sables bedroht, das tatsächliche Ausmaß einer Tragödie hat. Wie eine autoritäre Interpretation des Fortschritts im Dienste der Globalisierung einen Ort zerstören will, der bereits seine eigene Interpretation besitzt, die von einem Gedächtnis und einer Menschlichkeit genährt wird, für die die École des Sables eines der Symbole ist. Zwei nach außen gerichtete Bewegungen, von denen eine jedoch aufgezwungen und die andere geduldig ist. Die projizierten Bilder der Bewohner von Toubab Dialaw erhalten weitaus mehr Gewicht als die Figuren.
Mit Ausnahme von Germaine Acogny, denn ihre Worte als Figur haben das Gewicht ihrer Geschichte, die bekannt ist und außerhalb der Bühne stattfindet. Die anderen Darsteller*innen bleiben für mich relativ unscharf. Einige von ihnen nehmen sogar eine rückwärtsgewandte Wendung, wie der von Selbsttäuschung geprägte Monolog der Figur Iris. Sie behauptet, dass es auf der Sklaveninsel Gorée keine Sklavenhalterinnen gab, obwohl dies erwiesen ist, und scheint das universelle Leid der Frauen und das Leid der versklavten Völker, einschließlich der Schwarzen Afrikaner*innen auf dieselbe Stufe zu stellen. Ein von der zweiten Welle des weißen Feminismus der 1960er Jahre ererbter Diskurs, der jedoch durch den Afrofeminismus und den intersektionalen Feminismus dekonstruiert wurde. Aus einer gleichberechtigten Herangehensweise an die Sprache der Interpret*innen und einer ersten Zusammenarbeit entsteht eine Geschichte, die trotz ihres gewaltigen Potenzials schlecht umgesetzt wurde. Vielleicht wird der zweite Teil eine positive Überraschung.
Noch keine Kommentare / Diskutieren Sie mit!
Wir freuen uns auf Ihre Kommentare. Da wir die Diskussionen moderieren, kann es sein, dass Kommentare nicht sofort erscheinen. Mehr zu den Diskussionsregeln erfahren Sie hier.