Ela zum Winkel: Sie sind in vielerlei Hinsicht mit dem Theater verbunden: Zahlreiche Theatertexte wurden von Ihnen aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt und Sie, Paul Bäcker, sind darüber hinaus auch als Dramaturg und Regisseur am Theater tätig. Könnten Sie uns ein wenig über Ihren Werdegang erzählen? Wie kamen Sie zum Übersetzen?
Paul und Annette Bäcker: Zum Übersetzen kam ich durch den damaligen Leiter des Rowohlt Theaterverlags, Klaus Juncker, für den ich vor allem aus dem Englischen eine Menge Stücke lektoriert habe. Nach einer Generalprobe von »Eine Stadt wird vernommen« von David Hare im Berliner Schillertheater (1975) machte ich nach dieser Deutschsprachigen Erstaufführung in Berlin die zweite Inszenierung in Mainz – ich war dort als Regisseur und Dramaturg tätig – und er fragte mich, ob ich nicht auch für Rowohlt übersetzen wolle. Ich meinte, ich könnte es ja mal versuchen. Juncker wusste, dass ich als Austauschstudent von der Max-Reinhardt-Schule für Schauspiel in Berlin für ein Semester in London an der Royal Academy of Dramatic Arts war, in der Regieklasse von Milo Sperber. Und er wusste auch, dass meine Schwester Engländerin war und in London bei Foyles, einer der größten Buchhandlungen der Welt, in der Theaterabteilung arbeitete, und ich dadurch sozusagen einen Native-Speaker hatte.
Sie haben u. a. die Stücke der Bestsellerautoren Éric-Emmanuel Schmitt und Florian Zeller ins Deutsche gebracht. Wie kommen Sie zu den Texten, die Sie übersetzen?
Gewöhnlich bekommen wir mit der Anfrage zur Übersetzung die Stücke von den Verlagen zugeschickt, vor allem nach unseren Lektoraten, also der Prüfung, ob die für den deutschsprachigen Markt möglich wären. Manchmal entdecke ich auch via Presse und Veröffentlichungen in Fachzeitschriften – in England Plays & Players, in Frankreich L´Avant-Scène Théâtre – Stücke, die mich interessieren, auch zum Inszenieren, und die ich den jeweiligen Verlagen dann vorschlage.
Wie gehen Sie bei einer Übersetzung vor? Übersetzen Sie immer zu zweit? Wie sieht eine Zusammenarbeit bei Ihnen aus?
Die Rohübersetzung – also « mot-à-mot » – machen wir zusammen, als Französin fungiert Annette in der Arbeitsphase als »Native-Speaker« .Sie ist Diplomatentochter und in vielen europäischen Ländern zur Schule gegangen, u. a. in Prag, wo ihr Vater Botschafter war, in den Jahren 63-68 wurde sie an der dortigen staatlichen Ballettakademie zur Tänzerin ausgebildet, sie spricht fließend mehrere Sprachen. Ich schreibe den dabei entstehenden deutschen Text in große Schulhefte; übertrage ihn dann in den Laptop, bis wir mit dem Text durch sind. Dann Kontrolle meinerseits, danach gemeinsame Kontrolle, ich lese den deutschen Text laut vor, sie vergleicht ihn dabei mit dem Original, dabei Ausmerzung aller Fehler, es entsteht die zweite Version, dann wieder gemeinsame Kontrolle etc. – bis wir der Meinung sind, dass unsere Übersetzung reif fürs Lektorat wäre.
Übersetzerinnen und Übersetzer sind eher selten in den Produktionsprozess am Theater eingebunden. Bei Ihnen ist das anders, da Sie viele Ihrer Übersetzungen auch selbst inszeniert haben. Macht es für Sie einen Unterschied, ob Sie als Regisseur mit dem »eigenen« Text bzw. der eigenen Übersetzung oder einem »fremden« Text arbeiten? Inwiefern beeinflussen sich Übersetzung und Inszenierung gegenseitig?
Als Regisseur gehe ich auf Proben genauso mit »meinem« Text um wie mit den »anderen«, bin genauso zu Änderungen bereit, wenn ich merke, dass die Schauspieler:innen Schwierigkeiten haben, den Subtext zu finden, bzw. die Sprache fließen zu lassen, die Schönheit unserer Sprache zu entdecken, keinen möglicherweise durch die Sprache evozierten »Überbau» zu spielen. Es gibt für mich kein größeres Kompliment, als wenn Schauspieler:innen zu mir sagen, deine Übersetzung lernt sich aber leicht. Dann weiß ich, dass Annette und ich »richtig« gearbeitet haben.
Wie erleben Sie die deutsche und französische Theatertradition im Vergleich zueinander?. Haben Sie selbst schon überraschende Publikumsreaktionen oder Rezensionen und Kritiken erfahren – auch solche, die vielleicht ganz anders ausfielen als im Nachbarland?
Die Spielweise der Franzosen ist eine andere als unsere, dito die Textbehandlung, die ist meist sehr oberflächlich, die »singen« mehr, als auf Inhalte zu gehen, Subtexte zu schürfen, nur bei Chéreau war das nicht der Fall und bei einem anderen von mir hochgeschätzten, dem in Deutschland leider nicht sehr bekannten Regisseur André Engel. Ich habe u. a. eine tolle Woyzeck-Inszenierung von ihm gesehen.
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