Mit diesem Erbe sah ich mich konfrontiert, als ich – zugegebenermaßen mehr als dreißig Jahre später – ein Stück schreiben wollte, das eine halbdespotische Macht in Haiti anprangerte. Angesichts des eher zaghaften, aber von Tag zu Tag härter auftretenden autokratischen Regimes, fürchtete ich die drohende Rückkehr der Angst. In diesem Land, in dem alles und zugleich nichts möglich ist, in dem man von einer verrückten Zeit in die nächste schlittert, ist die einzige Konstante die Angst vor der ständig plausiblen Rückkehr zu einer tyrannischen Macht.
Ist es nicht auch heutzutage, wo haufenweise Waffen an Jugendliche verteilt werden, die überall Gangs bilden, gerechtfertigt, sich zu fragen, wer uns mit diesen hochgerüsteten Aushilfssoldaten zum Schweigen zwingen will, wem eine solche Situation nützt, die (insgesamt) faktisch jede mögliche Rückkehr zur Demokratie verhindert?
Der Kontext, in dem sich die beiden Sprachen bewegen, ist nicht mehr derselbe. Das Exil hat zumindest einen grundlegenden Vorteil. Es zwingt zur Vielsprachigkeit, denn sonst integriert man sich nicht und stirbt. Meinen haitianischen Landsleuten begegne ich auf der ganzen Welt, und sie sprechen Englisch, Spanisch, Portugiesisch … Heutzutage ist Kreol die einflussreichste Sprache in den haitianischen sozialen Netzwerken, die Nachrichten auf allen Smartphones werden offen auf Kreol verfasst, das inzwischen zu einer der offiziellen Sprachen Floridas, dem ersten Tor zu den USA, geworden ist.
Da ich meine Schulausbildung auf Französisch erhalten habe, schreibe ich für gewöhnlich auf Französisch. Nachdem ich mein Stück «Men Tonton Makout vle tounen/Die tonton macoute¹ wollen wiederkommen» verfasst hatte, erschien es mir sofort selbstverständlich, dass ich den Text übersetzen musste. Wenn man von Demokratie sprechen, direkt zu den Menschen sprechen will – muss das in der Muttersprache sein? Warum muss man zwangsläufig jene Sprache vernachlässigen und ignorieren, die man aus den Büchern gelernt hat? Warum muss sich die Kunst ein aktivistisches Kostüm überstreifen und sich in der Volkssprache anbiedern? Woher kommt diese Leidenschaft, Sprachen auf dem Weg von der Diktatur zur Demokratie gegeneinander auszuspielen? Woher kommt überhaupt diese Leidenschaft der Übersetzung, einen Gegensatz zwischen Sprachen zu behaupten? Die Franzosen sind stolz darauf, dass Descartes› Philosophie auf Französisch verfasst wurde, um das Lateinische als Amtssprache zu entmachten. Als Beispiel nennen sie meistens seinen großen Klassiker, den Discours de la méthode.
Damit Sie sich weiterhin über diese Fragen den Kopf zerbrechen können, würde ich Ihnen gerne folgende Übung vorschlagen: Ich lade Sie ein, die Übersetzung des Eingangsmonologs des Stücks Men tonton Makout vle tounen zu überfliegen, eine textseitenlange Innenschau der Figur, die die Einleitung des Textes bildet, um eine Antwort auf folgende Frage zu finden: Warum besteht bei einem Text wie diesem die Notwendigkeit, ihn zu übersetzen?
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