Hast du irgendein Traumprojekt, das du in den nächsten Jahren unbedingt realisieren willst?
Ich würde mir wünschen, dass es mehr Theaterübersetzer:innen gibt, viel mehr, weil der Beruf leider immer unpopulärer wird. Das gilt auch für das Übersetzen im Allgemeinen, für die literarische Übersetzung und sogar das Dolmetschen. Ich glaube, in Mexiko gibt es höchstens neun, zehn Übersetzer, die sich selbst als Theaterübersetzer:innen bezeichnen.
Ich würde mir wünschen, dass es 2, 3, 4 für jede Sprache gibt, dass die Ausbildung und generell die Arbeit besser gefördert wird, aber nicht nur von Theatercompanys, sondern auch mit Geld von der Regierung.
In Mexiko ist es generell das Problem, dass wir vor allem von ausländischen Regierungen abhängig sind, um Geld für eine Übersetzung zu bekommen. Ich finde, dass das Land sich auch beteiligen sollte, damit ein Text aus Deutschland oder ein Text aus Polen ins Spanische übersetzt wird. Dass beide Seiten im Verhältnis 50/50 beteiligt sein sollten.
Das ist das, was mich sehr interessiert. Deshalb unterrichte ich seit sechs Jahren Theaterübersetzung im Rahmen eines Studiengangs für literarisches Übersetzen in Mexico City. Im meinem ersten Kurs mache ich Übersetzungsübungen, eine Szene und ein kleines Stück von um die 10 Minuten, im 2. Semester gibt es dann ein ganzes Stück zu übersetzen. Ich begleite ungefähr sechs Übersetzer:innen über vier Monate hinweg bei der Arbeit und bringe sie wenn möglich auch mit den Autor:innen in Verbindung. Es geht darum, die Übersetzer:innen von morgen auszubilden.
Leider gibt es immer noch keine spezifische Ausbildung für Theaterübersetzer:innen. Das ist überall das Problem.
Die Studierenden fragen mich immer, ja, du unterrichtest mich, aber wo soll ich am Ende arbeiten? Bei dir, in deinem Verlag? Bei der Company, mit der du arbeitest?
Aber das ist nicht die Antwort. Die Antwort ist, dass jeder seine eigene Company finden muss. Am Ende muss es Arbeit für alle geben. Finanziert von der Regierung und von den Companies, das ist mein Traum.
Ja, da geht es mir ganz ähnlich. Es ist wichtig, eine neue Generation auszubilden, vor allem, weil wir langsam auch nicht mehr die Jüngsten sind, oder?
Ja, das stimmt. Ich lese immer noch jeden Tag Texte. Autorinnen wie Fanny Britt, Mishka Lavigne und neue Stimmen wie Émilie Monnet und ich denke mir, ich würde gerne alles übersetzen, aber ich habe nicht die Zeit dazu. Also würde ich mir wünschen, dass jede Autorin, jeder Autor einen Übersetzer hat, der sagt OK, ich kann das nicht selbst machen, aber ich gebe den Text jemand anderem. Damit er die Stimme dieser Autorin oder dieses Autors in Mexiko bekannt macht. Für mich wäre das toll, wenn wir alle so arbeiten würden und alle unsere befreundeten Autor:innen in Umlauf bringen könnten, in Mexiko, in Deutschland und in der ganzen Welt. Man kann sich nur wünschen, dass es eines Tages so sein wird.
Immerhin können wir Netzwerke aufbauen…
Ja, und Online-Bibliotheken, wie du es tust, oder wie es das Goethe Institut gemacht hat. Eine Online-Bibliothek ist ein weiterer Traum für mich, eine großartige mexikanische Online-Bibliothek. So wie das Magazin, das du über Kanada gemacht hast. Durch das ich viele englischsprachige kanadischen Künstler:innen kennengelernt habe. Das ist etwas, was in Mexiko fehlt. Wir kennen nur das französischsprachige Kanada und Québec, aber der Rest? Das ist totales Neuland für uns.
Vielen Dank für dieses nette Gespräch. Wie gesagt, selbst wenn wir das Gleiche tun, tun wir es unter manchmal sehr unterschiedlichen Bedingungen. Gleichzeitig beneide ich dich. Ich hätte auch gerne einen eigenen Verlag. Und ich hoffe, dass es sich trotzdem irgendwie für euch auszahlt. Warum habt ihr eigentlich parallel dazu nicht gleich eine Agentur gegründet?
In gewisser Weise arbeiten wir tatsächlich ein bisschen wie eine Agentur. Wenn zum Beispiel eine Company in Mexiko eine meiner oder unserer Übersetzungen auf die Bühne bringen möchte, stelle ich die Verbindungen zwischen dem Autor oder dem Agenten des Autors und der Company her. Ich schreibe eine Menge E-Mails, und manchmal sagt der Agent: «Oh, wenn ich dreißig kanadische Dollar pro Aufführung verlange, ist das für dich in Mexiko angemessen?» Und ich sage: «Nein. Dreißig kanadische Dollar für einen Auftritt bei uns ist zu viel, vielleicht können wir auch nur fünfzehn oder zehn bezahlen. Es gibt ja auch nur 12 Vorstellungen. Und dann noch die Banküberweisungsgebühren, das kann sich die Company gar nicht leisten.» Wir arbeiten also zusammen, um gemeinsam Strategien zu entwickeln. Jedes Land hat da eine andere Vorgehensweise. Das machen wir alles. Aber eine richtige Agentur, das wäre zu viel für mich, weil das nicht mein Ding ist, mich nur um Geld zu kümmern. Geld ist gut, aber es ist nicht mein Beruf. Aber ja, wir arbeiten wie eine Agentur, in kleinerem Rahmen.
Und ohne dafür bezahlt zu werden.
Genau das ist das Problem. Wir müssten dafür Prozente verlangen. Aber das ist sehr schwierig mit den Banken, mit all den Gebühren. Das ist ein weiterer Aspekt unserer Arbeit, für den wir nicht bezahlt werden.
Trotz allem wünsche ich euch viel Erfolg mit der Verlagsarbeit. Und vielen Dank für das Gespräch, Humberto!
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