F: Sind diese fremdsprachigen Texte für das Publikum verständlich?
K: Für Menschen, die diese Sprache nicht verstehen, sind sie auf eine andere Art greifbar. Uns geht es nicht darum, dass man jedes Wort versteht, das wird nicht passieren. Aber uns geht es darum, dass die Poesie der Sprache erlebbar wird. Dass das Publikum versucht zu verstehen, zu durchdringen, und am Ende bleibt die Ahnung des Gesagten.
F: Wurden Evelyne und Gerda damals bei Zur Nacht einfach mit dem fertigen Resultat deiner Arbeit konfrontiert, oder gab es da auch bereits Austausch?
K: Das war mir ganz wichtig, das abzustimmen. Solche Eingriffe mache ich immer nur in Absprache. Das heißt, ich habe mich an den Lauke Verlag gewandt, habe beschrieben, was wir tun und warum wir im Team das Gefühl haben, dass die Mehrsprachigkeit dem Stück eine weitere, wichtige Ebene hinzufügen würde. Und dann hat Herr Lauke mich mit Gerda verbunden, wir haben telefoniert, sie hat sich meine Gedanken angehört und dann mit Evelyne gesprochen. So ging das ein bisschen hin und her und ich muss sagen, dass ich da eine große Offenheit erlebt habe. Ich glaube, der Vorteil ist, dass Evelyne auch Schauspielerin ist und deswegen einen vielschichtigen Blick auf Theater hat.
E: Ja, ich erkenne an, dass sich ein Regisseur Freiheiten nehmen muss. Vielleicht weil ich mich als Theatermacherin selbst zwischen dem Schreiben und der Bühne hin und herbewege und miterlebe, wie das Geschriebene lebendig wird, einen Körper bekommt. Für mich ist der dramatische Text für die Bühne ein Material, das dazu einlädt, sehr frei mit ihm umzugehen, ihm manchmal sogar Gewalt anzutun, vorausgesetzt natürlich, dass man das Material respektiert. Aber es ist mir sehr wichtig, dem Regisseur möglichst viel Freiheit bei der Aneignung des Materials zu lassen, denn auf der Bühne haben weder der Autor noch der Regisseur die absolute Autorität, sondern das szenische Objekt selbst, das entsteht und seine eigenen Wege und Zugänge mitbringt. Genau das Geheimnisvolle an diesem Prozess ist es, was ich so spannend finde, was mich verzaubert und was ich seit jeher liebe. Ich sage mir, wenn mein schriftstellerisches Ego es braucht, dass all meine Worte ein Publikum erreichen, dann gibt es dafür die Buchveröffentlichung. In Theater dagegen können die Zuschauer, selbst wenn ein Regisseur streng darauf bedacht wäre, dass jedes der Worte, die ich geschrieben und aneinandergereiht habe, auch so zu hören ist, jederzeit einfach wegschauen. Es gibt keine Garantie dafür, dass mein Text jedes einzelne Individuum erreicht.
G: Ich möchte nur kurz etwas hinzufügen: Warum hat dieses Stück Zeit des Lebens Kornelius dazu veranlasst, weitere Sprachen hinzuzufügen? Weil es schon im Stücktext eine Figur gibt, die Englisch spricht, nämlich die Figur des Todes.
E: Ja, das stimmt. In Zeit des Lebens erschien es mir stimmig, eine Fremdsprache zu verwenden, weil das Stück davon handelt, dass Menschen einander nicht verstehen, selbst wenn sie eine gemeinsame Sprache sprechen. Und es gibt einen Moment, in dem zwei Figuren einander plötzlich verstehen, obwohl jede*r von ihnen eine andere Sprache verwendet. Das macht also durchaus Sinn.
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