Seid ihr im Laufe der Proben im Text auf irgendeine Art von französischer Eigenheit gestoßen oder habt ihr mit irgendwas zu kämpfen gehabt?
Garraway: Wir haben an einer Stelle bei der Enthüllung nachgeschaut, weil wir überlegt haben, ob wir das im französischen Original machen, und ich habe reingeschaut, was die Höflichkeitsformen angeht, weil das Französische ja eher höflicher ist, als wir es im Deutschen sind. Aber obwohl es eine französische Autorin ist, gibt es wahnsinnig viele Amerikanismen, allein durch diese Cowboys, und das kam mir als halb US-Amerikanerin sehr entgegen. Ich glaube, deshalb habe ich mich auch von Anfang an sehr zu Hause in diesem Stück gefühlt. Und der zweite Teil ist ja sehr international, wir sind in New York, wir sind in Tokio, Natascha Gourland haben wir nicht als Französin, sondern als Franko-Kanadierin gespielt, also wir sind online ja überall: In Italien, Tao Wang kommt wahrscheinlich aus China, also wir sind munter in der Weltgeschichte unterwegs. Deshalb hatte ich nicht das Gefühl, dass das jetzt sehr französisch ist. Ich fand es einfach ein sehr zeitgenössisches Stück. Gwendoline Soublin ist ein paar Jahre älter als ich, glaube ich, aber ich habe mich da sehr angedockt gefühlt.
Ihr habt eure Inszenierung ab 14 Jahren freigegeben. Inwiefern ist es gerade für Jugendliche ein interessanter Text?
Stahl: Das ist keine Freigabe, wir verstehen das am Theater Plauen-Zwickau eher als Empfehlung. Ich glaube, dass das Thema für Jugendliche sehr interessant ist. Ich habe auch schon gehört, dass Schulklassen unsere Theaterpädagogin Steffi Liedke danach gefragt haben. Natürlich wegen der inhaltlichen Ebene mit dem Schwein-Mensch-Verhältnis, Fleisch essen, nicht Fleisch essen, aber auch diese Science-Fiction-Elemente sind auf jeden Fall spannend. Oder auch die Ebenen der medialen Beeinflussung aus dem zweiten Teil könnten Jugendliche auch sehr ansprechen. Wir hatten jetzt erst Premiere und noch keine Schulklassen drin, aber ich bin gespannt, wenn dann eine Klasse kommt, was da so passiert.
Es gibt eine NDR-Hörspielfassung auf Deutsch. Habt ihr die euch vorher angehört?
Stahl: Ich habe angefangen, aber es dann nicht zu Ende gehört.
Warum nicht? Weil man dann schon so andere Stimmen im Ohr hat?
Stahl: Ja, ich wollte nur mal so reinhören. Das reicht dann, weil man doch unterschwellig ein bisschen beeinflusst wird.
Garraway: Ich habe mir das Hörspiel oft angehört. Mich hat das jedoch nicht so beeinflusst, dass ich etwa Sachen rauskopieren wollte. Ich finde dadurch, dass es sehr klar bzw. 1 zu 1 umgesetzt ist, gibt es den Text ganz gut wieder. Für mich war es mehr ein Hörbuch als ein Hörspiel und das war in der Vorbereitung eine Zeiteffizienz-Geschichte. Ich konnte es noch mal hören, wenn ich mit dem Hund rausgehen wollte und hatte den Text dabei.
Der Stücktitel lautet «Pig Boy 1986-2358. Replay der Menschwerdung». Als «Replay» bezeichnet man in Japan, wo ein Teil der Handlung spielt, ein Genre in der Literatur, das Aufzeichnungen von Rollenspielen als Textgrundlage benutzt. Ich musste auch immer an «Replay» wie auf einem alten Kassettenrekorder denken. Was evoziert für euch dieser Untertitel?
Garraway: Ich habe auch an rückspulen und dann wieder vorspulen gedacht, tatsächlich auch wie bei einer Kassette, einen Kassettenrekorder oder Walkman, weil, wenn man immer wieder rückspult, das Band ausleiert. Ich hatte das Gefühl bei dem Stück, es hakt immer wieder, irgendwas ist in dieser Realität, die da erzählt wird, nicht richtig, irgendwo ist es komisch abgebogen. Und darum habe ich auch immer an so eine mechanische Ebene gedacht, die so einen Fehler im System evozieren kann, noch mehr als ohne dieses alte Technik-Ding. Wir haben es gemerkt bei diesem Interview, dass auch neue Technik fehleranfällig ist.
Vielleicht wegen «1986»?
Garraway: Vielleicht, ich hatte auch einen Kassettenrekorder als Kind, das waren möglicherweise dann auch meine ersten Regieversuche.
Stahl: Mich hat dieses «Replay» ein bisschen an den Film «Planet der Affen» erinnert. Diese alten Filme, die auch aus den 1980er-Jahren sind und wo es auch um das Verhältnis zwischen Affen und Menschen geht. Die Affen beherrschen dann die Menschen, also es dreht sich. Und das hatte ich auch bei dieser Schweine-Thematik: Das Gefühl, dass es sich irgendwann dreht, weil wir nicht in der Lage sind, diesen Planeten vernünftig zu betreiben, weil wir alles kaputtmachen, dass dann quasi das Tier der bessere Mensch ist – so ein Kreislauf, das habe ich so in meiner Assoziation gedacht.
Garraway: Ich würde mir wünschen, dass die Schweine die Macht übernehmen.
Ja?
Garraway: Im Zusammenhang mit dem Stück schon, weil ich glaube, dass dann vielleicht das, was in diesem Stück passiert, nicht passieren würde. Ich denke, die Schweine wären viel netter zu Theodor als Mathilde, die Schweine würden seinen Hof nicht pfänden, und die Schweine würden ihn Cowboystiefel tragen lassen, und die Schweine würden Pig Boy nicht hängen, und dann würde sich die Rechtsanwältin auch nicht umbringen und ich glaube auch am Ende wären die Menschen auch nicht unbedingt unglücklich, weil ich glaube nicht, dass Schweine uns so unterdrücken würden. Es gibt da auch Entwürfe dazu in der Literatur, irgendwie sind Menschen doch besonders grausam.
Sind alle Beteilgiten der Produktion zu Vegetarier:innen geworden?
Garraway: Ich bin schon seit ich 10 Jahre alt bin Vegetarierin.
Stahl: Nein, nicht alle …
… noch nicht!
«Pig Boy 1986-2358 . Replay der Menschwerdung» von Gwendoline Soublin
Regie: Charlotte Sofia Garraway
Dramaturgie: Isabel Stahl
Deutsche Übersetzung: Lydia Dimitrow, Andreas Jandl und Corinna Popp
https://youtu.be/quRUlCO4pak
Weitere Termine: 20. April 2022 / 23. April 2022 Theater Plauen-Zwickau
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