Wenn du einen ausländischen, also einen übersetzten Text inszenierst, gehst du das dann anders an? Abgesehen davon, dass vielleicht die Neugier eine andere ist, wenn ein Text aus einem «fremden» Kontext kommt…
Nein, grundsätzlich gehe ich nicht anders heran. Natürlich kann es bei einer Übersetzung schon mal sein, dass ich mir manchmal den Originaltext anschaue. Aber das passiert mir eher bei Übersetzungen, wo ich das Gefühl habe, ich verstehe etwas nicht und vielleicht ist da irgendwas im Original, was ich nochmal nachschauen sollte. Aber ein anderer Umgang ist das nicht. Es ist manchmal eine andere Vorbereitung, weil man sich einfach mit anderen Dingen beschäftigen muss. Vielleicht sind deutsche Texte etwas selbstverständlicher, weil man selbstverständlicher damit umgeht. Aber in der konkreten Arbeit mit den Schauspielern gibt es eigentlich keine Unterschiede.
Weißt du, wer euer Publikum ist, oder denkst du darüber nach, wen du gerne als Publikum hättest?
Ich habe letztens bei einem Interview gesagt, dass ich nicht an Zielgruppen glaube. Ich glaube eher daran, dass Texte, die interessant sind und gut geschrieben sind und möglichst gut umgesetzt sind, Menschen fürs Theater begeistern. Daran glaube ich. Unser direktes Zielpublikum ist für mich jeder Mensch, der sich für Theater interessiert. Und wer sich für Theater interessiert, müsste sich meiner Meinung nach auch für solche Texte interessieren, die einen starken Bezug zu unserer Realität haben. Aber ich habe keine Vorstellung von einem Zielpublikum. Ich denke immer, wenn ich davorsitze und ich das mag, dann kann das möglicherweise auch einem Publikum gefallen. Ich kann letztendlich immer nur von mir selbst ausgehen, weil ich ja immer die erste Zuschauerin bin.
Noch eine letzte Frage zum Thema Übersetzung: Es ist ja mehr oder weniger zufällig passiert, dass du drei Stücke gemacht hast, an deren Übersetzung ich beteiligt war. Aber du hast mir tatsächlich nie eine Übersetzungsfrage gestellt. Warum denn eigentlich nicht? Wir machen das ja hier auf Plateforme öfter, dass wir Übersetzer*innen und Inszenierungsteams zusammenbringen. Und oft stellen Dramaturg*innen und Regisseur*innen dann fest, dass sich die Leute, die übersetzt haben, richtig gut mit dem Text auskennen, und dass man die bei einigen Entscheidungen hätte fragen können…
Ja, das stimmt, das ist wirklich etwas, was ich tatsächlich so nicht auf dem Schirm hatte. Das ist wirklich komisch, denn wir versuchen natürlich immer, mit den Autoren nochmal direkt Kontakt aufzunehmen. Theoretisch sind die Übersetzer*innen ja auch mit involviert, und eigentlich wäre es ein total schöner Gedanke, das noch mehr zu nutzen. Man müsste sich mal überlegen, wie das aussehen könnte. Ob man die dann einfach zur ersten Textprobe dazu holt, wo es wirklich um Textverständnis geht. Da wäre es sehr sinnvoll, noch jemanden von außen dazu zu holen. Denn jemand, der sich «nur» als Dramaturg damit beschäftigt, hat nie diese Möglichkeit, sich so tief reinzuarbeiten, wie jemand, der den Text übersetzt hat. Also finde ich, da gibt es noch viel ungenutztes Potenzial.
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