«Nothing is translatable.» (Emily Apter)
Sind, was ich dreist «Übersetzungen» nenne, Ko-Kreationen mit dem Baum? Scheint eher der Imaginationsraum der partizipierenden Menschengruppe auf? Oder handelt es sich doch um reine Projektion, Reflektion meines egozentrischen Erlebens anhand eines subalternen Wesens, dessen Weltzugriff, Zeiterfahrung, Ausdrucksformen viel zu weit von meinem anthroprozentrischen Sinnesspektrum entfernt sind?
Mit dem Verhältnis von Kunst und Übersetzung, mit der enormen Gestaltungsvirtuosität und auch dem Mut zur Anmaßung, die in jeder Übersetzung stecken; mit den zahllosen Übersetzungsvorgängen, die jedes künstlerische Werk mit der Welt, in der es gestaltet wurde, verbinden, habe ich mich schon in meiner Doktorarbeit befasst.[1] Seitdem sehe ich Übersetzung als grundlegende Dynamik von Ko-Kreation mit der Welt. Während dieser Zeit wuchs auch die Lust auf anarchischere Formen der Erkundung sowie der Drang, vom Schreibtisch aufzuspringen, an die frische Luft zu gehen und, wie Rilke schrieb, die Dinge singen zu hören – oder besser gesagt: an den Grenzziehungen zu rütteln, welchen Wesen unserer belebten menschlichen und nichtmenschlichen Umwelt genug Mitteilungspotenzial zugetraut wird, um ihnen soviel Aufmerksamkeit zu schenken, dass überhaupt entstehen kann, was der Soziologe Hartmut Rosa treffend als Resonanzerfahrung konzeptionalisiert hat.
Beim Navigieren in diesem ambivalenten Möglichkeitsraum hilft mir mein performatives Zuhör-Requisit: Besondere Ohren, die schon gespitzt sind. Elfenohren. Aus Plastik. Als Erinnerung für mich und das Publikum, dass es um nicht-alltägliche Formen des Zuhörens geht. Ein Leckerli für den Kinderblick. Und um sich bloß nicht zu ernst zu nehmen.
Nach vier Jahren spekulativem Übersetzen kann für mich zumindest die ganz eigene lebendige Präsenz jedes Baumes so spürbar sein wie die meiner Mitmenschen, oder auch nicht, je nachdem, ob ich mir Zeit nehme. Und ebenso wie beimeinen menschlichen Mitlebewesen vermittelt sich mir der Eindruck, dass jeder Baum wirklich viel mitzuteilen hat.
Ich weiß nur nicht genau, was es bedeutet.
«Translation is the language of planets and monsters.» (Emily Apter)
[1] Nora Haakh (2019): «Layla und Majnun in der Contact Zone. Übertragungen aus dem Arabischen ins Deutsche im Bereich des zeitgenössischen Theaters», Dissertation, Freie Universität Berlin. Buchpublikation in Vorbereitung für 2023.
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