Falschleben

Scheinbar naiv und sentimental zwischen Zeitebenen hin- und herspringend, fächert die Autorin anhand eines familiären Einzelschicksals die schmerzhaften Konsequenzen des Algerienkrieges auf, der in Frankreich bis heute ein Tabu ist. Kurz vor Kriegsende, im Jahre 1961 flieht die junge Mutter Arlette mit ihrem Sohn Nadji eben nicht zu ihrer Familie nach Frankreich,sondern zu Verwandten in der Schweiz. Der Kontrast zwischen mediterraner Leidenschaft, Lebenslust und Melancholie und der Ordnung und Kälte in der neuen Heimat kristallisiert sich im Erleben des Sohns, der von der Mutter zu Integrationszwecken kurzerhand den mehrheitsfähigen Namen «Jean-Paul» verpasst bekommt. Nadji, der «falsche Jean-Paul» erlebt das Exil als fatale Fehlentscheidung («Falschleben»), die seine Mutter schließlich in den Alkohol, in wirtschaftliche Abhängigkeit und wahllose Liebesabenteuer treibt. Erst viele Jahre später gelingt es ihm, die Wunden des Kolonialkonflikts im Kleinen zu heilen, indem er die Urne seiner Mutter unter einer Zypresse bestattet. Sprachlich einfach gehalten, von Schlagern aus den 1960ern gerahmt, vermittelt Falschleben einen anrührenden Eindruck von den Absurditäten der europäischen Migrationsgeschichte.

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