Leo ist klein, geradezu mickrig, schicke Sachen kann ihm seine Mutter nicht kaufen. Auf dem Schulweg und im Pausenhof ist er ständig auf dem Sprung, denn Flucht ist das einzige, was hilft gegen Hohn, Spott und Schläge der anderen Kinder. Er flieht durch Hecken und hinter Garagen, doch auch in die Phantasiewelt der Bücher, ins Murmelspiel mit der hübschen Lisa und in seinen ewigen Traum davon, zu werden wie die Züge im Bahnhof: gewaltige Stahlmonster, unaufhaltsam, laut und stark. Um groß und stark zu werden, isst Leo Schrauben und trinkt Motoröl, doch vergebens. Er ist weit davon entfernt, seinem großen Bruder Lukas zu ähneln, der ein loses Mundwerk hat, respektiert wird und sich schon eigenes Geld mit dem Verkauf von Schokoriegeln verdient. Als die anderen Jungs ihn vor Lisas Augen wieder einmal bis auf die Knochen blamieren und erniedrigen, fasst Leo einen Entschluss: So wie die großen Jäger das Herz wilder Tiere essen, um deren Kraft für sich zu gewinnen, will er Lukas› Herz verspeisen. Doch als er dem Bruder die Brust öffnet, findet er eine Überraschung vor – denn auch hinter scheinbarer Größe und Überlegenheit können sich Angst, Traurigkeit und Verlorensein verbergen…