Die Verbrennung

Aus den Satelliten- und Schlafstädten, den Hochhaussiedlungen des Städtebaus im 20. Jahrhundert haben sich Arbeitslosen- und Immigrantenghettos entwickelt, wo mit steigender Frustration der Bewohner auch die Gewaltbereitschaft und Selbstjustiz quasi eines Bandenrechts sich breit machen. Hubert Colas’sucht zwar zu Beginn die Verortung des Stücks im fait divers, einer Klatschmeldung aus dem Genre ›Die Bestie Mensch‹. Aber von Anfang an lässt er sein Stück nicht auf die Anekdote zurückfallen: Nicht die pure Realität eines sozialen Brennpunkts rückt ins Zentrum, sondern das Spannungsverhältnis eines Gewaltpotenzials, das im Vorstellungsbereich eines jeden liegt, wie ein Alptraum in die Realität einbricht, aber sehr unterschiedliche Formen der Aggression annimmt. Krieg findet hier in der Sprache statt, er ist ein Sprachprozess, der Körper und Gedanken wie eine allmähliche Vergiftung durchdringt. Es geht um die Übertragung der eigenen Dämonen ins Bewusstsein des anderen, der weiß, dass er wie jeder Mensch zu allem fähig sein könnte. Der Autor traut seinen Figuren eine artifiziellere, lyrischere Sprache zu, als ihr sozialer Status und ein entsprechendes Lebensumfeld vermuten ließen. In ihr vollziehen sich die Darstellung dramatischer Aktion und Selbstdarstellung der Figuren auf der Grenzlinie zum Traum(atischen). Colas verweigert seinen Figuren aber keineswegs die Hoffnung auf einen Ausweg, den Willen zum Aus- und Aufbruch. Wo sich die Katastrophe in der Erinnerung und/oder Suggestion wie eine Gewitterwolke über dem Alltag zusammenzieht und neue Gewalt hereinbrechen lässt, reißt der Himmel – solange sich noch Gefühle regen – doch manchmal auf.

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