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Ein Mann kauert im Stroh einer Scheune. Er hat sich den Schnurrbart abrasiert und eine Perücke übergestülpt, obwohl er Kopfbedeckungen nie ertrug, am wenigsten Helme. Aber der fürs Deutsche Reich so Unentbehrliche muß sich am Leben erhalten, um wieder aufzutauchen, wenn die Zeit dafür reif ist. H – Heinrich Himmler – führender Kopf der Waffen-SS, Germanisierungspolitiker, Organisator des KZ-Systems – ist auf der Flucht und muß auf die Dämmerung warten, um sich weiter davonschleichen zu können. Er vertreibt Panik, Krämpfe und Müdigkeit mit einer dissoziativen Rede an sich und das abwesende deutsche Volk. Er hetzt durch seine glorreiche Zeit und die Leistungen an der Seite seines geliebten Führers. Er sinniert über den jüdischen Jesus, peitscheschwingende Walküren, seine streng kulturvolle Erziehung, die unfrohe Ehe, über Nietzsche, Opernbesuche und Arisierung. Der Mob wird ihn den Schweinen vorwerfen, ihn, der ein Mensch ist, wenn auch der zweitgrößte, den die Welt je gesehen. Ein nach der Mama rufender Blumenliebhaber hockt dort im Stroh, eine gefährliche Melange aus selbsternanntem Messias und erbärmlicher Kreatur, die sich nach ihrer Gefangennahme sofort tötet.

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