Weit entfernt von Corpus Christi

Weit entfernt von Corpus Christi scheint zunächst den Werdegang einer Frau zu erzählen, die ihrer Faszination für ein Bild erliegt: dem Leinwand-Gesicht von Richard Hart, einem Hollywoodschauspieler aus jener Zeit, als die Bilder für das Massenpublikum des Kinos «zu laufen» gelernt hatten und damit Stars schufen – oder Eintagsfliegen. Richard Hart, der es von seinem Geburtsort Corpus Christi auf den Sunset Boulevard geschafft hat, gehört zu den längst vergessenen Akteuren. Anne Wittgenstein, Filmspezialistin,beginnt nun Jahrzehnte später, seine Geschichte zu rekonstruieren. Die Welt der Bilder beginnt damit eine Kraft auf ihre eigene Realität auszuüben, welche hinter den Film- und Traumbildern allmählich entrückt. Vor allem aber setzt mit ihrer Rekonstruktion ein ständiges Pendeln zwischen den Zeiten ein. Im Wechselspiel zwischen der Gegenwart und der Nachkriegszeit führt die Geschichte Harts zurück in die Geburtsstunde der Massenproduktion fiktiver Bilder und zu den Anfängen des Kalten Kriegs. Auch in Hollywood betreibt McCarthy seine Hetzjagd auf (potentielle) Anhänger des Kommunismus in den Vereinigten Staaten, darunter auch auf Bertolt Brecht, eine der Figuren des Stücks. Der Bogen aber reicht bis in die Endzeit des Kalten Krieges hinein, in das Berlin des Mauerfalls, auf das die Stasi ihre Schatten wirft. So organisiert der Text ein Netzwerk aus Bruchstücken vieler Geschichten und Verweise auf die Geschichte selbst, die des Kinos, des Theaters und der Politik.

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