Der Gott des Gemetzels

Zwei Jungs, beide elf Jahre alt, haben sich im Park geprügelt. Einer der beiden hat dem anderen zwei Schneidezähne ausgeschlagen. Die Eltern treffen sich, um ganz sachlich, tolerant und wie es sich für kultivierte Menschen gehört, über den Vorfall zu sprechen. Alain und Annette überlegen mit Véronique und Michel bei Kaffee und Gebäck, wie man pädagogisch richtig auf Ferdinand (den Täter) und Bruno (das Opfer) einwirken kann. Aber so einfach ist das nicht. Wer war der eigentlich Schuldige? Deutet Ferdinands rabiates Verhalten vielleicht auf Eheprobleme zwischen Alain und Annette hin? Und was ist eigentlich schlimmer: dass die hypernervöse Annette quer über Véroniques Kunstbände kotzt oder dass Véronique das Wohlergehen ihrer Bücher deutlich mehr am Herzen liegt als das ihres Gastes? Oder: Dass der konsensbemühte Michel den Hamster seiner Tochter heimlich ausgesetzt hat, oder dass Alain einen Pharmakonzern mit einem gesundheitsschädlichen Medikament juristisch vertritt? Aus Sticheleien werden Wortgefechte, aus Streitereien werden Handgreiflichkeiten, und der Nachmittag unter zivilisierten Menschen unserer westlichen Gesellschaft nimmt einen, gelinde gesagt, unangenehmen Verlauf. Die Autorin Yasmina Reza verwischt mit diabolischem Humor und schneidender Rhetorik die Grenzen zwischen Zivilisation und Barbarei.

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