Lebendige Archive gestalten
Mit «PLATEFORME – Archiv und Magazin für Theaterübersetzung aus dem Französischen» stellte Initiator Frank Weigand mit seinen Kolleg:innen Franziska Baur, Ela zum Winkel und Mira Lina Simon im zweiten Teil der Tagung die neue Webseite des Projektes vor. Abwechselnd berichteten sie von der Notwendigkeit eines Archivs für Theaterübersetzung, gaben Einblicke in die Webseitenstatistik und führten die Teilnehmer:innen via Bildschirmteilung durch die neue Seite. Das Besondere an PLATEFORME ist die Verschränkung von Archiv und Magazin. Im Magazin sollen künftig Hintergrundinformationen und aktuelle Debatten aufgegriffen, Übersetzer:innen vorgestellt und ein Raum für Neuigkeiten geschaffen werden. Von dem Projekt überzeugt werden musste scheinbar niemand, im Chat hagelte es Glückwünsche und Beifall durch die Teilnehmer:innen.
PLATEFORME versteht sich nicht bloß als Archiv und Magazin, sondern macht sich für Theaterübersetzer:innen und ihre Arbeiten stark. «Das Problem ist», so Weigand, «dass Theaterübersetzer:in kein Beruf ist, mit dem man berühmt wird. Es gibt kein Studium, keine Ausbildung und demnach keine Lobby, die hinter einem steht.» Das Team hat in den letzten sechs Monaten unermüdlich nach Stücken recherchiert, außerdem wurden Hörfunk- und Theaterverlage kontaktiert, um Kontakte zu Übersetzer:innen zu bekommen – nicht immer mit Erfolg. «Streng genommen sind Theaterverlage Agenturen, sie publizieren nicht, sie kaufen und verkaufen. Ein Text der nicht vertreten wird, geht verloren», so Weigand. Wieder ist es die Verkaufsstruktur.
Doch um die Zukunft zu ändern, muss man auch die Anfänge verstehen. Ein lebendiges Theaterarchiv ist wichtig für nachfolgende Übersetzer:innengenerationen, damit diese nicht immer wieder von vorn anfangen müssen. Zahlreiche Übersetzer:innen sind in die Prosa abgewandert. Von den 162 Übersetzer:innen, die bisher in der Datenbank eingetragen sind, haben 50 % gerade mal ein Stück übersetzt. Nur 5 % der Beteiligten sind unter 40 Jahre alt. Da stellt sich berechtigterweise die Frage nach dem Nachwuchs, gerade heute, wo Sprache und ihre Wandlung immer wichtiger werden. Denken wir nur an diskriminierungssensible oder gendergerechte Sprachreformen.
Die Archivarbeit begreift sich als lebendiger Prozess und soll helfen, Lücken zu schließen oder das Interesse wecken, nachzuforschen und sich intensiver mit der Geschichte der Theaterübersetzung zu beschäftigen. Viele Biografien sind unvollständig, auch gibt es Übersetzer:innen, die nach einem Erfolg plötzlich aufgehört haben. Warum? Noch einmal: Je mehr wir forschen, desto mehr werden wir erfahren und desto mehr können wir die Zukunft ändern. Ein revolutionärer Gedanke!
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