
SPUREN (2): Die ugandische Dramatikerin Asiimwe Deborah Kawe über ihren Text «Appointment with gOD» «Unsere Gesellschaften sind sehr patriarchalisch geprägt»

Im Rahmen des Festival afriCOLOGNE wird nächste Woche die Theateranthologie SPUREN vorgestellt. Erschienen im Verlag Theater der Zeit, versammelt sie neun Theaterstücke von Autor*innen aus Benin, Burkina Faso, DR Kongo, Guinea, Republik Kongo, Senegal, Uganda sowie der afrikanischen Diaspora. Die ausgewählten Texte erzählen von gesellschaftlichem Wandel, Widerstand, Identität und Erinnerung – mal poetisch verdichtet, mal direkt und konfrontativ. Teil der Auswahl ist auch «Appointment with gOD» von der ugandischen Festivalleiterin und Dramatikerin Asiimwe Deborah Kawe (übersetzt von Lisa Wegener unter dem Titel «Verabredung mit gOTt»). In einem E-Mail-Austausch mit Frank Weigand sprach die Theatermacherin über den Einfluss traditioneller Erzählformen auf ihre Arbeit, den Kampf gegen das Patriarchat und die Freude daran, komplexe weibliche Figuren zu schreiben.
Frank Weigand: «Appointment with gOD» handelt von den Absurditäten und der Willkür bei der Vergabe von Visa für die USA in einer US-Botschaft in einem nicht näher bezeichneten afrikanischen Land. Wie ist dieser Text entstanden?
Asiimwe Deborah Kawe: Durch das, was ich jedes Mal beobachtete, wenn ich in meinem Land zur US-Botschaft ging, um ein Visum für die USA zu beantragen. Ich fand alles, was dort geschah, sehr seltsam, komisch und außerdem war es unsichtbar für die lokale und die globale Öffentlichkeit.

Obwohl es zwei Hauptfiguren gibt, die Frauen Kakye und Achen, entwickelt sich das Stück zu einer Art Oratorium, das das Schicksal einer ganzen Gruppe von Menschen beschreibt. War dieser musikalische Aspekt des Stücks von Anfang an geplant?
Mein Schreiben und meine Theaterarbeit sind von den Erzähltraditionen geprägt, mit denen ich aufgewachsen bin, und tief darin verwurzelt. Deshalb plane ich nie wirklich etwas, das außerhalb dessen liegt, was ich unter Geschichtenerzählen verstehe oder was mich als Person ausmacht. Wenn ich künstlerisch arbeite, fügen sich diese unterschiedlichen erzählerischen Elemente, sei es Musik, Gesang, Bewegung oder Chor, auf ganz natürliche Art und Weise zusammen, ohne dass ich es bewusst beabsichtige.

Trotz der Konkurrenz um die Visa entwickelt sich zwischen den beiden Protagonistinnen eine Art Solidarität, fast schon eine Freundschaft. Ist diese Solidarität unter Frauen ein zentrales Thema des Textes?
Alle Themen, die in dem Stück angesprochen werden, sind wichtig. Ich glaube, dass Menschen sich zusammenschließen, wenn sie das Gefühl haben, dass sie einem gemeinsamen Feind gegenüberstehen, einer gemeinsamen Herausforderung oder einem gemeinsamen Hindernis, um das zu erreichen, was sie sich wünschen. Spaltungen entstehen, wenn es dem Unterdrücker gelingt, die Menschen zu spalten, und wenn Eigennutz, Selbstbezogenheit und Egos die Oberhand gewinnen. In diesem Fall sind die beiden Menschen, die unsere Protagonistinnen sind, zufällig Frauen, und ich persönlich liebe es, starke, komplexe Frauenfiguren zu entwerfen. In Bezug auf dieses spezielle Thema bin ich auch fest davon überzeugt, dass sich in den meisten Fällen etwas zum Positiven verändert, wenn Frauen sich zusammentun, ihre Stimme finden und sich Raum verschaffen.

Die meisten Dramatiker*innen aus afrikanischen Ländern, die es schaffen, in Europa bekannter zu werden, sind Männer. Warum ist das so? Ändert sich das gerade?
Unsere Gesellschaften sind sehr patriarchalisch geprägt, egal ob in Afrika, Europa oder anderswo. In vielen afrikanischen Kulturen sind Frauen stets die Hüterinnen und Bewahrerinnen der Kultur und der Künste gewesen. In vielen afrikanischen Kulturen, besonders in der vorkolonialen Zeit, feierten viele Gemeinschaften Künstlerinnen, und Frauen nahmen eine Führungsrolle beim Geschichtenerzählen und in anderen Kunstformen ein. Das war natürlich nicht überall in Afrika so. Aber der Kolonialismus und fremde Religionen drängten die Frauen in eine unterwürfige Position, d.h. ihnen wurden die Bereiche entzogen, in denen sie Führungsrollen innehatten. Ich glaube, dass sich das allmählich ändert, aber ich glaube auch, dass es Zeit brauchen wird. Das Patriarchat existiert seit Jahrhunderten. Es wird nicht von heute auf morgen verschwinden.

Es heißt, dass manche Texte leichter von einer Kultur in eine andere «migrieren» als andere. Welcher wesentliche Aspekt Ihres Stücks muss – unter allen Umständen – in der Übersetzung erhalten bleiben?
Wenn ich schreibe, neige ich zu der Ansicht, dass meine Arbeit umso besser «migriert», je authentischer meine Stimme ist. Für mich ist es wichtig, dass die Authentizität meiner Stimme, der Tonfall des Textes, der schwarze Humor, die Fähigkeit, wütend zu sein und über absurde Dinge zu lachen, erhalten bleiben, denn ich denke, dass das weit über einzelne Kulturen und Sprachen hinausgeht. Wenn ich also darüber nachdenke, geht es mir nicht um das Erhalten an sich, sondern darum, dass die Übersetzung die Stimme meines Schreibens in ihrer authentischen Form einfängt.
Buchvorstellung SPUREN
am 16. Juni im Orangerie Theater, Köln
Tickets und Informationen hier.
Am Münchner Residenztheater hatte vor wenigen Wochen Asiimwe Deborah Kawes neuestes Stück «Gelobtes Land» seine deutschsprachige Erstaufführung in der Inszenierung von Jakab Tarnóczi.
Tickets und Informationen hier.

Asiimwe Deborah Kawe (Uganda) ist eine preisgekrönte Dramatikerin, Produzentin und Performerin. Sie ist Begründerin und künstlerische Leiterin der Tebere Arts Foundation und des Kampala International Theatre Festival. Asiimwe arbeitete mehrere Jahre mit dem Theaterprogramm des Sundance Institute zusammen. Sie hat ein Diplom und einen Bachelor of Arts in Darstellender Kunst und Theater sowie einen Master of Fine Arts in Szenischem Schreiben (u.a. Makerere Universität in Kampala bzw. California Institute of the Arts). Zu ihren Stücken zählen The Promised Land, Red Hills, Forgotten World, Cooking Oil, Appointment with gOD und Will Smith Look Alike. Asiimwe war u.a. Stipendiatin an der Akademie Schloss Solitude und Gast-Künstlerin am Pomona College in Kalifornien und am Brooklyn College. Zuletzt war sie Gastautorin am Residenztheater München und Preisträgerin des Cairo International Festival for Experimental Theatre. Asiimwe lebt mit ihrer Familie in Kampala. www.asiimwedeborahkawe.org; www.tebere.org, www.kampalainternationaltheatrefestival.com
Noch keine Kommentare / Diskutieren Sie mit!
Wir freuen uns auf Ihre Kommentare. Da wir die Diskussionen moderieren, kann es sein, dass Kommentare nicht sofort erscheinen. Mehr zu den Diskussionsregeln erfahren Sie hier.