2) DIS/POSITION
Selbstverständlich ist Inszenierung eine Art von Übersetzung
Die Übersetzung von Text in eine Aufführung, könnte man zunächst sagen. Inszenieren bedeutet, die Räume, Stimmen und Körper zu kennen, die die eindimensionale Fläche eines Buches nicht enthält. Es bedeutet, den Weg vom Geschriebenen zum Gesprochenen, zum Sinnlichen, zu Fleisch, Atem und Knochen zu finden. Die Ideen aus dem Buch in das Gehirn derjenigen zu bringen, die an der Bühnenzeremonie teilnehmen. Nach meinen ersten Engagements als Schauspielerin bin ich sehr schnell Regisseurin geworden. Dafür gibt es mehrere Gründe, von denen der wichtigste der geringe Platz war, der BIPoC-Schauspieler*innen damals, als ich anfing, in Frankreich eingeräumt wurde (Ich sollte schreiben: der fehlende Platz).
(Zu Anfang nahm ich es hin, dann war ich fassungslos und schließlich empfand ich Wut. Dazu kommen wir noch.)
Doch stecken hinter dieser Entscheidung zweifellos auch die Gründe, die dazu führten, dass ich meinen Vater übersetzte, ohne seine Sprache zu sprechen. Die Tatsache, dass ich mich bereitwillig von einem Idiom durchdringen lasse, das ich nicht vollständig beherrsche, ist, als würde ich mein Wesen anbieten, damit es zu einem anderen wird: eine Gewalt, die man sich selbst zufügt.
Außerdem erfordert das Inszenieren (so wie ich es verstehe) eine Form von Trance.
In dem Wort Trance steckt die Idee des Übergangs, einer Bewegung, die das englische Verb to translate genauer beschreibt.
Wenn ich Schauspieler*innen führe (auch in diesem Ausdruck ist Bewegung enthalten), übertrage ich das, was vom Text der Autorin*des Autors bei mir ankommt. Oder, wenn es nichts Geschriebenes gibt, eine Aussage.
(Vor einigen Jahren, als ich als junge Schauspielerin mit Freunden in einer Truppe spielte, rechtfertigte eine Regisseurin, deren Arbeitsweise wir anzweifelten, sich mit folgenden Worten: «Ich inszeniere eine Idee»).
Die Kunst der Regie geht mit einem gewissen Anteil an Schamanismus einher. Es genügt, sich zu dezentrieren, um das festzustellen. Dramatische Künste gibt es in ebenso vielen Formen wie es menschliche Kulturen gibt: das westliche Theater natürlich, aber auch das Kotéba der Malinke, das Pow-Wow der amerikanischen Ureinwohner*innen, das Mvet aus Kamerun, das japanische Nô … Diese Kunst des Übergangs ist die Essenz dessen, was wir als Inszenierung bezeichnen. Theater bedeutet Teilen, das Verschmelzen von Gedanken und Vorstellungswelten, die Bildung einer Gemeinschaft. Zu Beginn erfand ich Versuchsanordnungen, deren Hauptzweck es war, das Publikum durch die Art und Weise, wie es saß, in die Fiktion eintauchen zu lassen (oder vielmehr glaubte ich, etwas zu erfinden, denn in Wirklichkeit war da vermutlich ein Prozess der Inspiration, ein schöpferischer Atem am Werk.) Die Vermischung von Kunst (Tanz, Musik, bildende Kunst) und nicht-künstlerischen
Disziplinen (Sozialwissenschaften, Frisieren, Kochen) entsprang meiner identité métisse.
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