Bill Clintons Prozess

Bill Clintons Prozess von Lancelot Hamelin ist ein Verwirrspiel um Identität und Fremdheit auf mehreren Ebenen. Im Vordergrund steht das Scheitern der Liebesgeschichte zwischen dem jungen Franzosen Denys und der Tochter algerischer Einwanderer Nedjma, die sich in einer französischen Großstadt kurz vor der Jahrtausendwende abspielt. Die beiden, die sich kurz als eine Art französisch-arabische Romeo und Julia sehen, haben keine gemeinsame Zukunft. Sie kehrt zu ihrer Mutter zurück und beginnt traditionell zu leben – und er tritt aus Verbitterung zum Islam über und lässt sich sogar beschneiden. Anstatt jedoch in die Sozialkolportage abzugleiten, verquickt der Autor diesen Handlungsstrang mit einer Fülle von Paralleluniversen: die Geschichte von Denys Familie, die ursprünglich aus dem Elsass stammt, dann in Algerien siedelte und zu Beginn des Algerienkrieges fliehen musste, der Skandal um Bill Clintons Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinski, einem Ausflug in den Dionysos-Mythos, als dessen moderner Widergänger Denys sich sieht – und Ausschnitte u.a. aus Stanley Kubricks «Eyes Wide Shut», Jeunets «Alien4» und zahlreichen Romanen und philosophischen Abhandlungen.
In einer Welt, in der ob ihrer Komplexität keine erzählerische Zusammenschau mehr möglich ist, hat Hamelin die Montage zum Stilprinzip erhoben. Oftmals laufen mehrere Handlungen parallel ab, kommentieren oder konterkarieren sich so gegenseitig.
Gleichzeitig verweisen Vokabular und die ständig präsenten «Musikeinspielungen» auf die spezifische Kultur der 1990er Jahre – einem Jahrzehnt, in dem die Auseinandersetzung mit dem Islam noch wesentlich weniger hysterisch betrieben werden konnte als in unserer Zeit nach dem 11. September 2001.

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