
SPUREN (5): Ein Gespräch mit dem ugandischen Lyriker und Performer Kagayi Ngobi über seinen Text «For My Negativity» Der Macht die Wahrheit ins Gesicht sagen

Im Rahmen des Festival afriCOLOGNE wurde diese Woche die Theateranthologie SPUREN vorgestellt. Erschienen im Verlag Theater der Zeit, versammelt sie neun Theaterstücke von Autor*innen aus Benin, Burkina Faso, DR Kongo, Guinea, Republik Kongo, Senegal, Uganda sowie der afrikanischen Diaspora. Die ausgewählten Texte erzählen von gesellschaftlichem Wandel, Widerstand, Identität und Erinnerung – mal poetisch verdichtet, mal direkt und konfrontativ. Teil der Auswahl ist auch das Stück «For My Negativity» von dem ugandischen Lyriker und Performer Kagayi Ngobi (übersetzt von Annette Bühler-Dietrich, Beat Dietrich und George Seremba). In einem E-Mail-Austausch mit Frank Weigand sprach der Autor über die Entstehung des Textes, über literarische Traditionen und darüber, warum Übersetzung für ihn Freiheit bedeutet.
Frank Weigand: Du hast «For my negativity» ursprünglich als Gedicht geschrieben und als solches veröffentlicht. Wie hat sich der Text für dich verändert, als er zu einer Performance mit dir auf der Bühne wurde?
Kagayi Ngobi: Als ich dieses Gedicht schrieb, hatte ich die Absicht, dass es laut gelesen werden sollte. Ich wollte, dass es von einer Stimme getragen für die Öffentlichkeit sichtbar wäre. Schließlich war es eine Reaktion auf ein anderes Spoken-Word-Gedicht mit dem Titel «Negativity», das ein Kollege von mir, Wake The Poet, geschrieben und performt hatte. In meiner Vorstellung gehörte dieses Gedicht schon auf die Bühne, bevor ich es überhaupt zu Papier gebracht hatte. Außerdem waren die Ideen, die es hinterfragte, in einem ähnlichen Bereich von Wake The Poet ausgedrückt worden. Als ich es zum ersten Mal öffentlich vorlas, saß Wake im Publikum.
Als ich mich jedoch entschloss, es auf der Bühne zu performen, veränderte der Prozess der Theatralisierung den «performativen Charakter» des Gedichts. Ich musste ein Bühnenskript für sein Leben auf der Bühne entwickeln; ich arbeitete gemeinsam mit anderen Künstlern daran, neue Elemente zu entwickeln, die die poetische Erfahrung für den Zuschauer und Zuhörer des Gedichts bereichern sollten.
Wir mussten zum Beispiel Kostüme und Requisiten entwickeln, um seine Sprache und seine Botschaft greifbarer zu machen. Außerdem entwickelten wir eine Klanglandschaft, um die Rezitation zu begleiten. Wir mussten die Sprecherfigur des Gedichts in einen Schauspieler verwandeln, was im Wesentlichen bedeutet, dass wir den Text des Gedichts entpoetisiert haben, um seine Poetik im Theaterraum zugänglicher und nachvollziehbarer zu machen.

Der Text befasst sich stark mit der Realität des heutigen Uganda und damit, was dort gesagt werden kann und was nicht. Glaubst du, dass seine Themen auch ein Publikum außerhalb dieses Kontextes ansprechen können?
Seine Botschaft ist persönlich, aber seine Themen sind natürlich universell. Welche Literatur ist das nicht? Überall, wo ich das Stück performt habe, spricht es das jeweilige Publikum anders an. Die Themen Korruption, Identität, Kolonialismus, Sprache, Macht, Demokratie und andere, mit denen sich das Gedicht beschäftigt, finden in den Herzen der verschiedenen Publikumsgruppen, vor denen es aufgeführt wurde, ein Zuhause. Wenn dieses Gedicht mir etwas bewiesen hat, dann, dass Literatur eine universelle Sprache ist.

«For My Negativity» handelt von der ambivalenten Haltung des Protagonisten gegenüber der englischen Sprache, der Sprache der Kolonisatoren. Du selbst bist mehrsprachig. Wie verändert sich der Text, wenn du ihn in einer anderen Sprache schreiben würdest, und gibt es Gefühle oder Konzepte, die du in einer Sprache besser ausdrücken kannst als in einer anderen?
Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Als ich das Gedicht schrieb, wollte ich damit direkt die problematische Ambivalenz der englischen Sprache als Kolonialsprache in einer postkolonialen Realität ansprechen. Das Englische ist also nicht nur ein Vehikel für die Botschaft, sondern auch der Angeklagte in diesem poetischen Gerichtsverfahren, in dem die Sprecherfigur als Kläger auftritt. Außerdem ist das Gedicht mehrsprachig… eine Übersetzung in eine einzige Sprache würde es in seiner Gesamtheit beeinträchtigen.
Ich glaube trotzdem, dass die Erfahrung des Gedichts in jeden Aufführungskontext übersetzt und übertragen werden kann, ohne dass die gelebte Erfahrung «ugandisiert» werden muss. Die Flüssigkeit und die Flexibilität seiner performativen Qualitäten sorgen dafür, dass die Möglichkeit besteht, es an jede Sprache jedes Umfelds anzupassen.

Dein Stück zitiert literarische Vorbilder wie «The Song of Lawino» von dem berühmten ugandischen Lyriker Okot p’Bitek. Wie wichtig ist es für dich, dich in einer künstlerischen und literarischen Tradition zu verorten?
Literatur befindet sich immer im Gespräch mit sich selbst, ob wir es wissen oder nicht. Dennoch ist es möglich, für die Dauer von Generationen die Gesichter von Künstlern aushöhlen und ihre Literatur unsichtbar zu machen. Für mich ist es wichtig anzuerkennen, dass ich die Grundpfeiler meiner poetischen Sprache auf einem poetischen Fundament aufbaue, das bereits von anderen Schriftstellern gelegt wurde, die vor mir geschrieben und performt haben, und damit eine Blaupause für die Dichter meiner Generation hinterlassen haben, um die Arbeit fortzusetzen, die sie bereits begonnen hatten. Die Arbeit, Literatur als Werkzeug zu benutzen, um der Macht die Wahrheit ins Gesicht zu sagen.

Wie empfindest du als Dichter, für den jedes Wort wichtig ist, die Erfahrung, übersetzt zu werden? Sehen du es als etwas Positives oder als einen unangenehmen Kontrollverlust?
Übersetzung ist eine positive und angenehme Erfahrung, die ich genieße. Denn dadurch bekommt meine Arbeit ein Eigenleben und lebt buchstäblich in der Freiheit des Ausdrucks, nach der ich mich sehne. Wenn ich schreibe, um mich von den Ketten der Unterdrückung zu befreien, die ich um mich herum spüre, dann kann man sich die Freude in meinem Herzen vorstellen, wenn meine Worte aus meinem Kontext befreit werden, um mit anderen und in der Erfahrung eines anderen Ausdrucks zu leben.
Ich brauche die Kontrolle über meine Worte nicht, wenn die Übersetzung die Freiheit ist, die sie brauchen, um ein Leben zu führen, das weit über mich hinausgeht.

Kagayi Ngobi ist ein ugandischer Dramatiker, Dichter, Performer und Verleger. Er hat sechs Theaterstücke verfasst, vier eigene Gedichtbände veröffentlicht und 25 Bücher anderer Autor*innen herausgegeben. Als ehemaliger Anwalt gab er 2011 seine Praxis auf, nachdem er eine Leerstelle in der Art und Weise erkannt hatte, wie ugandische Geschichten authentisch erzählt werden. Im selben Jahr wurde er Lehrer für Literatur und Lyrik an High Schools in ganz Uganda. Dabei fiel ihm eine noch größere Lücke im ugandischen Bildungssystem auf, das junge talentierte Menschen nicht eine literarische Laufbahn vorbereitet. Aus diesem Grund gründete er Kitara Nation, eine Poesie-Organisation, die mit jungen, aufstrebenden Künstler*innen zusammenarbeitet, um ihnen die notwendigen Fähigkeiten zu vermitteln, die literarische Landschaft Ugandas mitzugestalten. Kagayi engagiert sich weiterhin für die Zusammenarbeit mit jungen Künstler*innen, die Veröffentlichung ugandischer Inhalte und die Hinterfragung romantisierter Vorstellungen von gelebten afrikanischen Erfahrungen.
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