Im Herbst 2013 habe ich ernsthaft damit begonnen, Anishinaabemowin zu lernen. Damals waren wir eine kleine Gruppe von Frauen mit Anishinaabe Algonkin-Wurzeln, die alle in Montreal lebten. Wir waren von dem Wunsch beseelt, die Sprache sprechen zu können, und hatten mit Véronique Thusky, einer Lehrerin aus Lac Barrière, eine Anishinaabemowin-Lerngruppe gegründet. Wir trafen uns einmal die Woche, immer zuhause bei der ein oder anderen am Esszimmertisch und teilten uns dabei Tee und etwas zu essen.
Im Laufe der Unterrichtsstunden mache ich mich mit den musikalischen und extrem außergewöhnlichen Klängen des Anishinaabemowin vertraut. Ich genieße es, wie sich meine Zunge im Mund bewegt, wie sie gegen den unteren Gaumen drückt, um die Vokale zu verlängern, wie und wo sie Silben besonders betont, wie sich die Sprache in meinem Inneren anfühlt. Ich mag besonders die Bewegung der Stimme von innen heraus, wie anders ihr Weg durch diesen Resonanzraum meines Körpers ist. Ich lerne, Sätze zu bilden, und höre den Menschen aufmerksamer beim Sprechen zu. Manchmal habe ich das Gefühl, sie beim Sprechen singen zu hören.
Ich verstehe, warum so oft über die innere Verbindung zwischen den Indigenen Sprachen und dem Land gesprochen wird. Wenn ich jemanden Anishinaabemowin sprechen höre, höre ich tatsächlich die Klänge des Bodens: den vorüberfließenden Fluss, die Geräusche der Vögel, der Tiere von hier. Zum Beispiel sagt man ôhômisî für Eule und asiginaak für Rabe. In beiden Fällen höre ich den spezifischen Gesang dieser Tiere in den Klängen der Wörter, mit denen sie benannt werden. Als wollte die Zunge ihre Sprache nachahmen oder zumindest die Möglichkeit schaffen, miteinander zu kommunizieren, falls nötig. Anishinaabemowin ist hier in diesem Gebiet entstanden, die Sprache wurde hier entworfen und entwickelt. Ich bin überzeugt, dass das Sprechen einer oder mehrerer Indigener Sprachen zu einem besseren Verständnis für das Gebiet führt, in dem wir uns befinden, und dadurch unsere Verbindung zu ihm vertieft. Je mehr neue Wörter ich lerne, desto mehr bewundere ich die Tiefe und die Weisheit, die im Herzen des Anishinaabemowin verwoben sind. Es ist eine reiche, komplexe Sprache, die eine besondere Weltsicht vermittelt. Viele Worte verweisen auf Konzepte, für die es weder im Französischen noch im Englischen eine Entsprechung gibt und man bräuchte einen ganzen Satz, um zu versuchen, ihre Bedeutung zu übersetzen. Mir wird klar, dass wir durch das Erlernen der Sprache beginnen, unseren Platz im Universum und in der Welt um uns herum besser zu begreifen. Sie gibt unserem Gefühl der Verbundenheit Nahrung. Das sind wunderbare Hinweise darauf, wie wir in einer guten Beziehung zueinander leben können.
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