Manifest der Jungen Frau

Bewusst künstlich und anti-psychologisch kommt «Manifest der Jungen Frau» von dem quebecer Theatermacher Olivier Choinière daher. Das Bild der «Jungen Frau», wie es Hochglanzmagazine und einschlägige Mode- und Beziehunghilfeblogs zeichnen, wird hier zur schrillen Chiffre für die Funktionsweisen des Kapitalismus. Eine Gruppe von Performer*innen unterschiedlichen Alters verkörpert mit Perücken die ideale Konsumentin, die alles tut, um ein vollwertiger Teil der Gesellschaft zu sein. Sprechblasenartig werden Werbeslogans deklamiert, bis sich die Thematik nach und nach in den Bereich des Politischen verschiebt. In seinem Hochgeschwindigkeitsoratorium, das in seinen besten Momenten an den frühen René Pollesch und seine Verzahnung von persönlicher Hysterie und gesellschaftlicher Zwangssituation erinnert, vollzieht Choinière einen nur scheinbar zynischen Rundschlag durch das Zeitgeschehen vom Jugendwahn bis hin zum Terrorismus und endet beinahe sentimental mit einer durchaus ernstgemeinten Hymne an die transformatorische Kraft des Theaters. Sein Metatheater, das in Quebec, wo nach wie vor das psychologisierende Schauspiel dominiert, eine Ausnahmestellung einnimmt, ist somit kein Selbstzweck sondern von einem beinahe brechtschen politischen Impetus getragen.

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